Geschichte der Gemeinde Balzers

Balzers blickt auf eine lange und wechselvolle Geschichte zurück.

 

 

Ur- und Frühgeschichte

Das Gebiet der heutigen Gemeinde Balzers ist seit 7000 Jahren besiedelt. Die ältesten archäologischen Funde reichen bis in die Jungsteinzeit zurück. Mittelpunkt der Siedlung war seit jeher der Burghügel Gutenberg. Besondere Bedeutung haben neun am Gutenberg gefundene Bronzestatuetten aus der jüngeren Eisenzeit (5.-1. Jh. v. Chr.), die sogenannten Gutenberger Votivstatuetten. Sie sind in ihrer Zusammenstellung einzigartig und dienten vermutlich als Weihegaben, womit sie auf ein vorchristliches Heiligtum auf Gutenberg hindeuten.

 

Mit dem Alpenfeldzug im Jahr 15. v. Chr. wurde das Gebiet des heutigen Liechtensteins dem römischen Reich eingegliedert und wurde Teil der Provinz Raetia. In Balzers gab es eine grössere römische Siedlung. Im Frühmittelalter war Balzers der südlichste Punkt der Einwanderung von Alamannen im Rheintal.

Gutenberger Votivstatuetten
(5.-1. Jh. vor Chr.) –
1932 am Südhang des Burghügels Gutenberg gefunden

 

 

Bildarchiv Liechtensteinisches Landesmuseum, Vaduz

Vom Mittelalter in die Neuzeit

Um 842 n.Chr. wird Balzers erstmals schriftlich in der Form «Palazoles» (lateinisch für Herrenhof, Pfalz) als karolingischer Königshof erwähnt. Balzers war damals Teil der 806 gegründeten Grafschaft Rätien, gehörte später den Grafen von Werdenberg-Sargans und dann zur 1342 entstandenen Grafschaft Vaduz. Diese wurde 1719 Teil des Reichsfürstentums Liechtenstein.

 

Jahrhundertelang lebte die Bevölkerung überwiegend von der Landwirtschaft, das Gewerbe produzierte lediglich für den lokalen Gebrauch. Bis in die 1820er-Jahre spielte auch das Transportwesen eine gewisse Rolle: Das Dorf lag an einer wichtigen Handelsroute zwischen Süddeutschland und Italien und die Balzner Bevölkerung besass das Recht zum Gütertransport von Balzers über den Pass St. Luzisteig nach Maienfeld. Der 1445 neu eingerichtete Postverkehr Lindau–Mailand ging bis zu seiner Einstellung anfangs des 19. Jh. ebenfalls durch Balzers und wertete den Ort als Knotenpunkt weiter auf. 1817 eröffnete die österreichische Post in Balzers die erste Briefsammelstelle Liechtensteins (ab 1839 Postamt).

Ab dem 19. und bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts zwangen jedoch Bevölkerungswachstum und Arbeitsmangel zahlreiche Balznerinnen und Balzner zur Saisonarbeit im Ausland oder gar zur Auswanderung.

 

Wegen der Grenzlage und als Tor zu wichtigen Alpenpässen litt das Dorf immer wieder unter Kriegszügen, bei denen es zu Plünderungen, Brandstiftungen und Soldateneinquartierungen kam, so u.a. im Alten Zürichkrieg (1445), im Schwabenkrieg (1499) und letztmals während der Koalitionskriege gegen Frankreich (1792–1809).

 

1808 wurden in Liechtenstein die politischen Gemeinden im heutigen Sinne geschaffen und damit die beiden Siedlungen Balzers und Mäls zur Gemeinde Balzers zusammengefasst.

 

Die Ortschaft war auch immer wieder von den drei «Landsnöten» Föhn, Rhein und Rüfeniedergängen betroffen. Der Föhn führte mehrmals zu verheerenden Bränden: Beim schlimmsten Dorfbrand, im Jahr 1795, kamen drei Menschen ums Leben und Pfarrkirche, Pfarrhof und 34 Häuser samt Stallungen wurden ein Raub der Flammen. 1985 zerstörte ein Brand, ausgelöst durch Schiessübungen des Schweizer Militärs, 110 Hektar Wald, und 2001 wurde der historische Dorfkern von Balzers eingeäschert. Der Rhein trat letztmals 1868 bei Balzers über die Ufer.

«Höfle»

Historischer Dorfkern von Balzers,

Aufnahme um 1925

 

 

 

Foto: Edition Guggenheim & Co., Zürich (Amt für Kultur, Landesarchiv, Vaduz, LI LA B 11Ba.6/011/002)

Entwicklung im 20./21. Jahrhundert

Um die Jahrhundertwende und im 1. Viertel des 20. Jh. setzte eine Modernisierung ein: Verbesserung der Wasserversorgung, Anschluss ans Telefonnetz (1898) sowie ans Stromnetz (1921). Durch den Entscheid, die neue Schule (1869), die neue Pfarrkirche (1912) und das neue Gemeindehaus (1926) zwischen den getrennten Ortsteilen Balzers und Mäls zu bauen, begannen die beiden Ortsteile zusammenzuwachsen.

 

Im Ersten Weltkrieg (1914–18), von dem das neutrale Liechtenstein nicht direkt betroffen war, herrschte im Land grosse wirtschaftliche Not. Die Zwischenkriegsjahre brachten der (männlichen) Bevölkerung mit der neuen demokratischen Verfassung von 1921 mehr politische Rechte, aber die ökonomischen Verhältnisse verbesserten sich kaum. Den Zweiten Weltkrieg (1939–45) überstand Liechtenstein an der Seite der Schweiz, mit der es seit 1924 einen Zollvertrag hat, weitgehend unbeschadet.

 

Nach 1945 vollzog sich in Liechtenstein ein grundlegender wirtschaftlicher Wandel: Industrie, Gewerbe und der Dienstleistungssektor entwickelten sich rasant, während die Landwirtschaft stark an Bedeutung verlor. Der industrielle Aufschwung von Balzers begann 1946 mit der Gründung der Gerätebau-Anstalt Balzers, der heutigen Oerlikon Balzers. Sie wurde rasch zum bedeutendsten Arbeitgeber in Balzers. Zusehends entwickelte sich das Unternehmertum in den verschiedensten Bereichen, sodass Balzers heute zu einem diversifizierten Wirtschaftsstandort mit über 450 Betrieben und mehr als 3100 Arbeitsplätzen geworden ist.

 

Dank gewachsener Einnahmen in der 2. Hälfte des 20. Jh. konnte die Gemeinde ihre Infrastruktur auf hohem Standard ausbauen und zahlreiche öffentliche Gebäude, wie Schulhäuser, Gemeindehaus und moderne Sport- und Freizeitanlagen errichten. Das Siedlungsgebiet ist seit 1950 massiv ausgeweitet worden und zählt heute rund 1960 Haushalte.

 

Die Bevölkerung wuchs von 1411 Einwohner*innen im Jahr 1941 auf 4642 Einwohner*innen (2019). Hierzu trug u.a. die starke Zuwanderung bei, die infolge des Wirtschaftswachstums einsetzte, dieses zum Teil aber auch erst ermöglichte. Heute tragen Menschen aus über 40 Nationen zur bunten kulturellen Vielfalt in Balzers bei.

Flugaufnahme von 1946

 

 

 

Foto Gross, St. Gallen (Gemeindearchiv Balzers © Amt für Kultur, Landesarchiv, Vaduz)

Weiterführende Literatur